Mit Virtual-Reality Onboarding zum neuen Job
Immer mehr Unternehmen sind davon überzeugt, dass ihre Mitarbeiter durch Virtuelles Lernen besser ausbildet werden. Aber mit Virtual-Reality lässt sich dem Bewerber natürlich auch eine Firmen-Philosophie nahelegen – fällt sie auch noch so aus der Reihe. Für mehr Effizienz bei der Durchführung des 5-stufigen Kochprozesses, hat sich z.B. KFC für sein Mitarbeiter-Onboarding ein ungewöhnliches Schulungs-Tool einfallen lassen: Beim Elaborieren in der Küche mit den typischen Arbeitsvorgänge, wacht ein etwas unangenehmer Colonel Sanders über das Prozedere und macht dem Trainee ordentlich Dampf in den Gassen. Ziemlich gruselig kommt das Setting zwischen konservativer Backoffice-Atmosphäre und Brutzelküche daher, ganz zu schweigen vom Roboter, mit seinen herabhängenden Tentakelarmen. Doch der Anwärter soll, in Anlehnung an die einstige Zubereitungsweise von vor 70 Jahren („The Hard Way“), alte Standards beleben. Dazu wacht und kommentiert der Gründer und Markenkopf der Fast-Food-Kette ohne Unterlass. Klarstellender Weise: Dies ist ein Escape-Game. Denn schickt sich der Newbie tatkräftig unter seiner Oculus Rift-Brille, kann er sich, im Schweiße seines Angesichts, ein letztes Mal durch die korrekte Kombination der Arbeitsschritte (Inspektion, Panieren und Co.) hindurch exerzieren, wird er alsbald in die befreiende Realität entlassen…
Dieser VR-Trainingssimulator ist die Ergänzung zu einem mehrstufigen Mastery-Programm für neue Mitarbeiter der zu Yum!Brands gehörenden Restaurant-Kette, der auch Unternehmen wie Taco Bell oder Pizza Hut angehören. Vielleicht eher Marketing-Strategie als konkrete Praxishilfe beim Mitarbeiter-Onboarding, stellt dieses düstere Spiel dennoch eine Möglichkeit dar, Usern nachhaltig und spielerisch Unternehmens-Geschichte durch virtuelles Experimentieren zu vermitteln und sie interaktiv mit bestimmten Handlungsabläufen vertraut zu machen. KFC behauptet jedenfalls, die Zubereitungszeit des Hühnchens hätte sich mit Hilfe des VR-Trainings auf 60 Prozent reduzieren können. Doch ist es auch ganz und gar nicht abwegig, durch immersives VR-Training erfolgreich neue Arbeits- und Lerninhalte zu vermitteln – wie wir in diesem Beitrag und auch den folgenden Artikeln unserer VR-Job-Training-Reihe sehen werden.
Virtuelle Bestandsproben für Real-Life-Szenarien
Google Daydream Lab hat vor einiger Zeit schon in einer Studie feststellen können, dass Training mit Virtual-Reality tatsächlich sowohl die Lerngeschwindigkeit als auch die Fähigkeit, Informationen im Gedächtnis abzuspeichern, wesentlich begünstigt. Hierbei wurden zwei Testgruppen verglichen, die sich mit einem VR-Video an sämtliche Barista-Geschicke wagen mussten. Während sich einige Teilnehmer die 360-Grad-Demo mittels HMD und Controllern stellen durften, verfolgte die andere Gruppe an Probanden dem Video lediglich monoskopisch. Alle aber sahen die Videos im Schnitt dreimal, bevor die Bestandsprobe in realitas erfolgte. Das mit Headsets ausgestattete Team führte im Ergebnis deutlich gegenüber der alternativen Testgruppe: Es gab weniger Fehler beim Zubereiten und wesentlich schnellere Resultate.
Diesen Umstand macht sich auch die Fast-Casual-Kette Honeygrow zunutze. CEO Justin Rosenberg nutzt seit längerem ein speziell entwickeltes Trainingsdemo als Recruiting-Tool und tourt neue Mitarbeiter in einem 360° Video durch seinen Standort. Dabei werden sowohl Werte als auch Hintergründe zur Unternehmensentwicklung vermittelt. Der zukünftige Mitarbeiter des auf Stir-Fry und Salate spezialisierten Restaurants erhält so bereits vor dem realen Praxistraining einen kompakten Eindruck davon, was ihn später erwartet. In der App können zudem mittels Point/Click-Controller von Daydream zukünftige Arbeitsvorgänge in Form von Interactive-Charts und 3D-Animationen spielerisch ausgelotet werden.
Aus Fern mach´nah – Virtual-Reality als Schulungs-Teleporter
Was sich zunächst einmal kompliziert anhört, erweist sich im praktischen Nachgang als weitaus weniger komplex und vor allem hilfreich. Neben zuverlässiger Absolvierung verschiedener Engine-Points, von der Lebensmittelsicherheit bis hin zum Kundenservice, profitiert Honeygrow nämlich mit seinem 15-minütigen VR-Orientierungstool nicht nur optimal von gut vorbereiteten Mitarbeitern, sondern auch in Bezug auf eine verbesserte Konsistenz im Hinblick auf standortübergreifende Schulungen. Bei inzwischen mehr als 20 Filialen kann durch die VR-App nun gewährleistet werden, dass jeder neu eingeführte Mitarbeiter, aber auch jeder Angestellte des Unternehmens in puncto Weiterbildung, gleichwertige Inhalte vermittelt bekommt.
„We´re finding this gamification really helps people grasp and retain information.“
Jen Denis, chief brand officer, Honeygrow
Virtuelles Lernen und VR-Schulung kann für Mitarbeiter auch durchaus dann Sinn machen, wenn Personalressourcen knapp sind und durch anspruchsvolle High-Efficiency-Vermittlung hohe Kosten für Druck und Material entstehen. Auch ist das Aufgabenfeld in manchen Unternehmen so umfangreich, dass der vermeintlich praktische Reader zu einem unübersichtlichen Konvolut anschwillt, durch welches sich Trainees mühsam hindurch arbeiten müssen. VR kann hier helfen, eine detailliertere Welt zu zu initiieren: Einzelne Aufgabenbereiche erhalten eine visuelle Zuordnung und der User kann sich interaktiv direkt mit den Aufgaben vertraut machen. Fehler bleiben reine Anwendungsfälle und unterbrechen nicht gleich den ganzen Ablauf der Einarbeitung. Ähnlich dem Einsatz als Marketing-Tool gegenüber Verbrauchern, kann VR auch an dieser Stelle helfen, die Sinne des Mitarbeiters zu aktivieren und dabei eine spezifische Erfahrung zu gestalten. In diesem Fall: Die spielerische Vermittlung von Inhalten in direkter Interaktion – und so anfängliche Berührungs- und Versagensängste überwinden helfen. So konstatierte Rosenberg mit dem VR-Training innerhalb von 4 Wochen auch einen Anstieg an zertifizierten Mitarbeitern von 50 auf 77 Prozent.
Dass multisensorisches, virtuelles Training sich günstig auf das Erinnern von Informationen auswirkt, liegt an der Möglichkeit, eine Situation repetitiv so lange zu erproben, bis sich der Erfolg einstellt. Eine Studie des Human Performance Lab der University von Chicago zeigte auch, dass besonders in der ersten Phase neuen Lernens eine praktische Erfahrung, wie sie auch durch virtuelles Training generiert wird, zur Verinnerlichung des Wissens wichtig ist. Durch das physische Erleben, die durch VR-Simulation zum Beispiel beim (immersiven) Koordinieren von Material entsteht, werden sensorische und motorische Bereiche des Gehirns aktiviert.
Virtuelles Lernen – Probe für den Ernstfall
Besonders vorteilhaft kann dies vor allem dann sein, wenn das Geschäft eine rush hour verzeichnet und der Neuling nicht nur mit neuen Aufgabenfeldern konfrontiert ist, sondern zusätzlich auch den Stress der Kundschaft bewältigen muss. Sicherlich eine Aufgabe, der sich in der Realität gestellt werden muss – aber nicht immer ist auch das entsprechende Szenario zum Testen zur Hand. So bietet ein Virtual-Reality-Video in dieser Hinsicht die immersive Option, den Ernstfall zunächst in Anwesenheit von virtuellen Klienten zu erproben. Beginnt ein Mitarbeiter etwa im zweiten Quartal mit seiner Einarbeitung, dürfte er für das Weihnachtsgeschäft kaum eine realistische Einschätzung haben. Eine virtuelle 3D-Simulation kann unabhängig von äußeren saisonalen Faktoren und Tageszeiten ein entsprechendes Arbeitssetting erschaffen.
Es gibt auch Fälle, in denen sich der Ernstfall real gar nicht proben lässt – zum Beispiel im Bereich der Versicherungen. Farmers Insurance setzt zur Abwicklung von Schadensregulierungen bereits seit 2015 auf Schulungen in VR. Dabei durchläuft der Mitarbeiter virtuell alle Arbeitsschritte genau so, wie er sie auch vor Ort im Haus des Kunden vornehmen würde. Das Training besteht aus sechs verschiedenen Grundrissen und 500 möglichen Schadenskombinationen; jedes Szenario ist zufällig, die Möbel im simulierten 2-stöckigen Haus werden dabei immer wieder neu angeordnet. Die Auszubildenden können problematische Bereiche im Haus digital markieren oder mit einem integrierten (pseudo-)i-Pad einen Klempner oder ihren Versicherungsagenten kontaktieren. Auf welche Art der Trainee die Schadensproblematik dabei kommuniziert, auch das wird in dem 15-minütigen, von Unity angetriebenen Tool bewertet. Das virtuelle Training, welches als Aufbau-Programm zur dreiwöchigen Schulung in Kalifornien dient, bietet nicht nur eine Bandbreite an Handlungsmöglichkeiten wie etwa Schränke zu öffnen, um Objekte herum zu laufen oder das Haus von außen zu begutachten. Es beinhaltet auch einen gamifizierten Ansatz, der aus versteckten Gegenständen und Witzen besteht und sich dann offenbart, wenn der Trainee nur intensiv genug inspiziert. Durch die virtuelle Aus- und Weiterbildung verzeichnete Farmers Insurance Einsparungen in Höhe von 300.000 US-Dollar.
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