Die Digitalisierung des Handwerks mit Virtual- und Augmented Reality

31. August 2018 Patricia Jantschewski

Die Digitalisierung des Handwerks mit Virtual- und Augmented Reality

Die nächste Generation des Handwerks: Powered by Virtual- & Augmented Reality

Wer unsere Blog-Reihe „Schöne neue (Arbeits-)Welt? Wie Virtual- und Augmented-Reality den Arbeitsmarkt verändern“ verfolgt, wird unter Umständen überrascht sein, diese Woche einen Artikel über den Handwerkssektor zu finden, assoziiert man diesen doch eher mit Tradition als mit Innovation und Fortschritt. Während Google im Frühjahr 2018 mit „Measure“ einen AR-Zollstock für alle heimischen Hobbyhandwerker an den Start brachte, zeigt spätestens der Besuch der diesjährigen Internationalen Handwerksmesse (IHM) in München, dass die Virtual-Reality auch im professionellen Handwerk nicht nur schon längst angekommen ist, sondern dort sogar bereits aktiv Arbeitsprozesse und Ausbildungsinhalte verändert. Um den Besuchern zu demonstrieren, wie das im konkreten Einzelfall aussehen kann, hatte das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk (KDH), das Teil der Förderinitiative „Mittelstand 4.0 – Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse“ ist, im Rahmen der Messe ein Dialogforum eingerichtet. Neben der Beantwortung vieler Fragen rund um das Thema Digitalisierung des Handwerks stand vor allem die Vorstellung bereits realisierter Projekte verschiedener Handwerksbetriebe im Fokus, wobei zu sehen war, dass die Einsatzgebiete der Virtual-Reality sehr vielfältig sind und von der Ausbildung, über Kundenberatung bis hin zur eigentlichen handwerklichen Arbeit reichen. Digitale Prozesse können dabei helfen, Abläufe zu vereinfachen, wodurch letztendlich natürlich auch Einsparpotenzial sowie teilweise sogar die Möglichkeit, umweltschonender zu produzieren, geschaffen wird. Um die digitale Zukunft des Handwerks gemeinsam noch besser ausloten zu können, fand letzten Monat in einer Zusammenarbeit des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk der Handwerkskammer Koblenz mit dem Enterprise of Things Lab der Universität Koblenz-Landau schließlich sogar der erste deutsche „Hackathon Handwerk“ mit insgesamt 30 Teilnehmern aus 7 verschiedenen Gewerken statt, bei dem zukunftsweisende Ideen und Konzepte, wie zum Beispiel eine intelligente, auf dem Sprachassistenten Alexa basierende Lagerverwaltung, erarbeitet wurden.

Von Netzwerken, Kreissägen und Lackierpistolen – Virtuelles Lernen im Handwerk

Das Start-up craftguide aus Au, das ebenfalls mit einem Stand auf der IHM vertreten war, verfolgt mit seiner Arbeit das Ziel, Theorie und Praxis miteinander zu verbinden. Die beiden Gründer, Theo Strauß und und Johannes Nies, wollen die Digitalisierung des Handwerks unterstützen und vorantreiben, indem sie Handwerksbetrieben neben einer interaktiven Enzyklopädie des Handwerks, in der sich unter anderem Video-Tutorials und 3D-Modelle finden lassen, eine Plattform bieten, auf der sie sich nach dem Vorbild von Xing oder LinkedIn gewerkübergreifend miteinander vernetzen und austauschen können. Zielgruppe seien laut Strauß vor allem kleinere Handwerksbetriebe auf dem Land, die oftmals zwar sehr spezialisiert, gleichzeitig aber auch in sich abgeschlossen seien. Diese Betriebe sollen sich durch die Plattform vernetzen, weiterentwickeln, die Chancen der Digitalisierung nutzen und so schließlich ihre Bedenken der neuen Technologie gegenüber ablegen können. Craftguide möchte allerdings nicht nur Zugang zu theoretischem Wissen schaffen, sondern hat zusammen mit seinem Technologie-Partner Vypno auch bereits eine VR-Anwendung realisiert, bei der man die Möglichkeit hat, Sägearbeiten an einer virtuellen Kreissäge auszuführen und die damit verbundenen Arbeitsabläufe zu lernen, ohne dabei jedoch kostbares Material zu verschleißen oder sich einem Verletzungsrisiko auszusetzen. Ein Testdurchlauf mit der Schreinerinnung des Landkreises brachte durchweg positives Feedback, was nicht zuletzt auch der Tatsache geschuldet sein mag, dass Theo Strauß selbst eine Schreinerausbildung absolviert hat und somit mit deren Anforderungsprofil vertraut ist. Auch bei der Ausbildung von Malern und Lackierern kommen VR-Brillen mittlerweile zum Einsatz. Das französische Unternehmen Mimbus hat mit „Simspray“ einen virtuellen Simulator entwickelt, mit dessen Hilfe Auszubildende anhand verschiedener Situationen und Werkstücke das Spritzlackieren erlernen können, ohne sich dabei vor giftigen Dämpfen schützen zu müssen und ohne teure Farbe zu verschwenden. Während des Lackiervorgangs wird dem Anwender angezeigt, ob er schnell genug arbeitet und ob Distanz und Winkel so gewählt wurden, dass ein optimales Arbeitsergebnis erzielt werden kann. Nach Abschluss des virtuellen Arbeitsauftrags wertet die VR-Software den Vorgang zudem detailliert aus, sodass Fehler für den Auszubildenden sofort ersichtlich werden. Ein ähnliches Trainings-Tool für Maurer hat Gyproc South Africa mit GypSim entwickelt.

GypSim Virtual Training Tool

Trotz dieser und anderer bereits vorhandenen Möglichkeiten, Virtual-Reality und andere digitale Prozesse in die handwerkliche Berufsausbildung zu integrieren, bedarf es, um den Digitalisierungsprozess zu unterstützen, letztlich jedoch nicht nur des Willens zur Mitarbeit seitens der Handwerksbetriebe selbst, sondern einer überbetrieblichen, strukturellen Veränderung bei den Berufsbildungsdienstleistern. Nur wenn sich diese informieren und entsprechende, attraktive Angebote erarbeiten, können Kompetenzen im Umgang mit digitalen Lern- und Arbeitsmitteln erworben und umgesetzt und junge, talentierte Menschen schließlich in ihrem digitalen Alltag abgeholt werden. Um die Ausbildung innerhalb ihres Berufszweigs nachhaltig zu verändern, hat sich im Bereich Bau- und Energiehandwerk ein Kompetenznetzwerk gebildet, aus dem verschiedene Projekte hervorgegangen sind, die sich unter anderem mit didaktischen und methodischen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Arbeitsprozessen oder dem Lernen mit digitalen Medien beschäftigen. Und doch darf bei allen Chancen und Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, natürlich nicht vergessen werden, dass handwerkliches Wissen und Können die unverzichtbare Voraussetzung dafür ist, digitale Techniken auch sinnvoll einsetzen und neue kreative Potenziale entfalten zu können.

Wer sich weiterführend für das Thema interessiert, kann sich auf dem Deutschen Ausbildungsleiterkongress (DALK) in Düsseldorf am 22. November zwischen 16.00 und 17.15 Uhr den Fachvortrag „Hammer, Meißel, Tablet. Wie Digitalisierung die Ausbildung im Handwerk bereichert“ von Mirko Wesling dazu anhören.

„Irgendwas mit Robotik wäre cool“* – Willkommen in den Werkstätten der Zukunft!

Auch im Alltag vieler Handwerksbetriebe sind Virtual- und Augmented-Reality bereits angekommen. Die bislang vor allem für Architekten und Bauunternehmer interessante Möglichkeit, detaillierte 3D-Modelle von Gebäuden zu entwerfen, um diese ortsunabhängig gemeinsam mit dem Kunden begehen zu können, ist auch in vielen Handwerkszweigen durchaus sinnvoll und eine Weiterentwicklung der dort bereits eingesetzten CAD-Technologie. Statt dem Auftraggeber technische Pläne vorzulegen, die er unter Umständen nur schwer versteht und nach deren Durchsicht er sich kaum vorstellen kann, wie das fertige Vorhaben aussehen soll, können die Handwerker mithilfe der 3D-Visualisierungen das Projekt vorab nicht nur besprechen, sondern dem Käufer genau zeigen, was geplant ist und eventuell auftretende Fehler virtuell schnell beseitigen. Die sächsische Tischlerei „dieMeisterTischler“, die sich auf die Entwicklung hochwertiger Innenräume spezialisiert hat, nutzt in ihrem Betrieb zum Beispiel 3D-Konstruktionen, um ihren Kunden bereits vor der Erfüllung des Auftrags vor Augen zu führen, wie die bestellten Möbel für Wohnraum oder Büro aussehen werden und wie sie sich perfekt in die Umgebung einfügen lassen. Damit alle an einem Projekt beteiligten Mitarbeiter stets den gleichen Kenntnisstand haben, orientiert sich das Unternehmen am Vorbild des Building Information Modelings (BIM), bei dem alle Daten eines Bauauftrags digital gebündelt werden. Um dem Kunden schon mal einen Vorgeschmack auf die eigene Arbeit zu geben, wäre in diesem Rahmen auch ein virtueller Showroom denkbar, der entweder per WebVR zugänglich ist oder aber vom Kunden am Standort des Unternehmens erforscht werden kann. Ergänzt der Handwerksbetrieb diese Angebote zusätzlich mit 3D-Drucken, so wie Metallbau Stegerer aus Regenstauf, positioniert er sich auf dem Markt nicht nur mit einem exzellenten Service-Gesamtpaket, sondern macht sich auch für Ausbildungsanwärter enorm attraktiv. So hat es Stegerer durch den Einsatz innovativer digitaler Techniken nun schon zum dritten Mal in Folge unter die TOP 100 der innovativsten Unternehmen des deutschen Mittelstands geschafft. Waren es 2016 und 2017 noch die Laserscan-Technik und Virtual-Reality-Animationen, mit denen die Metallbau-Firma punkten konnte, kam in diesem Jahr Augmented Reality als neue Technologie dazu. Eingesetzt wird dabei die Microsoft HoloLens, um fertige Bauobjekte direkt auf der Baustelle als 3D-Modell projizieren zu können, was ebenfalls die Kommunikation mit dem Kunden erleichtert und die Entscheidungssicherheit erhöht. Augmented Reality kann in verschiedenen Handwerksbereichen jedoch nicht nur eingesetzt werden, um noch nicht vorhandene Bauelemente vorab sichtbar zu machen, sondern auch, um per se nicht sichtbare Dinge wie hinter Wänden befindliche Leitungen und Kabel erkennbar zu machen, indem zuvor ein digitales Modell der technischen Infrastruktur erstellt wurde. Mithilfe von Augmented Reality-Apps können sich Handwerker vor Ort aus den Bereichen Heizungs- und Anlagenbau sowie Elektrotechnik aber auch Serviceinformationen und Montageanleitungen für spezifische Geräte entweder auf ihrem mobilen Endgerät oder aber direkt per Datenbrille anzeigen lassen und müssen diese nicht mehr länger mit sich führen oder erst mühsam telefonisch beim Support-Center erfragen.

* Zitat von Ingo Lederer von Stegerer Metallbau, gefragt nach der nächsten Innovation, die für sein Unternehmen geplant ist

Um den Einsatz von Augmented Reality im Handwerk, beziehungsweise speziell im Bereich Sanitär-Heizung-Klima noch weiter voranzubringen, hat die Hochschule Ruhr West zusammen mit vier Partnern insgesamt über 1,7 Millionen Euro an Forschungsgeldern erhalten. Das Projekt „ARsuL“ läuft noch bis Ende 2019 und nimmt lebenslanges Lernen durch Augmented Reality in den Fokus.

Da sich das deutsche Handwerk überwiegend aus vielen kleinen Betrieben zusammensetzt, denen es zum Teil noch an den für die praktische Umsetzung von Digitalisierungsstrategien notwendigen Ressourcen mangelt, ist die strategische Beratung durch Experten in diesem Bereich besonders wichtig. Wir steigen für Sie in den Blaumann, nehmen Hammer und Meißel in die Hand und bauen mit Ihnen gemeinsam das Fundament, auf dem Ihre Virtual Reality-Anwendungen nicht nur sicher stehen, sondern auch begeistern können – verpassen Sie nicht Ihre Chancen und nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf! Auch für 360-Grad-Filmaufnahmen und Beratung im Bereich 360-Grad-Video und Virtual-Reality stehen wir Ihnen gerne und jederzeit zur Verfügung.

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