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Altes neu entdecken-360-Grad-Videos & VR in der archäologischen Forschung

Durch AR/VR und 360-Grad-Video lassen sich archäologische Forschungsarbeiten nicht nur hervorragend visualisieren, sondern auch besser strukturieren...

The Future of Exploration..? Virtual-Reality & 360-Grad-Video Experiences!

giphy.com

Virtual-Reality-Videos/moderne Visualisierungstechnologien können einen wesentlichen Beitrag zur Rekonstruktion von räumlichen Gegebenheiten leisten. Insbesondere, wenn es sich um relevante Analysen der Vergangenheit handelt, inzwischen aber topographische Veränderungen stattgefunden haben, die weiterführende Forschungsarbeiten erschweren – müsste sich auf ortsabhängiges Arbeiten verlassen werden. Von diesem Problem betroffen sind natürlich in erster Linie Studenten und Fachleute in geo-/archäologischen Arbeitsbereichen. Virtual-Reality-Videos jedoch können einen wesentlichen Beitrag dabei leisten, Ausgrabungsstätten auch jenseits der ursprünglichen Fundorte weiter zu erforschen. Let´s explore our past with the eyes of the future!

So existiert beispielsweise eine Forschungsgruppe für virtuelle Archäologie an der HTW Berlin, die sich damit befasst, den Tempel des Wettergottes von Aleppo zu rekonstruieren. Dessen Kult breitete sich während der Bronzezeit weit über die syrischen Landesgrenzen hinaus aus – der „Hadda von Chalab“  gehörte zu den wichtigsten und prominentesten Göttern im gesamten nordsyrisch-obermesopotamischen Raum. Sein Tempel lag direkt oberhalb der städtischen Zitadelle, dessen Grundfeste irgendwann zwischen dem 3. und 1. Jahrtausend vor Chr. errichtet sein mussten. Forschungsarbeiten für diese interessanten Relikte altsyrischer Zeit, fanden zwischen 1995 und 2005  auch vor Ort in Aleppo statt. Mittlerweile versucht man an der HTW auf vielfältige Weise, die vor dem Krieg gesammelten Daten unter Nutzung von VR aufzuarbeiten.

Kronos kommt ins taumeln…

Untersuchungen von Baukörpern, ihrer spezifischen Ornamentik und deren geographischer Umgebung… Es gibt vieles zu erkunden! So werden anhand von 3D-Laserscans, tachymetrischen Vermessungen (dreidimensionale simultane Lage- und Höhenmessung angesteuerter Punkte), sowie per GIS übermittelten Daten, georeferenzierte Bezüge hergestellt und in einen größeren Zusammenhang überführt. Wichtig ist es den Wissenschaftlern, zitierfähig zu sein und die vorgenommenen Erhebungen schließlich in ein digitales Publikumsformat bringen zu können – ein Mehrwert für sowohl Wissenschaftler als auch interessierte Laien oder Museumsbesucher. Museen in aller Welt entwickeln seit einigen Jahren erfolgreich kulturell-geschichtliche Wissensvermittlung interaktiver Art. So bot der SDDC, Samsung Digital Discovery Centre, Besuchern im British Museum bereits 2015 die Möglichkeit, sich mittels Samsung Galaxy Headset, 10.1 Zoll Tablets und Fulldome-Environment virtuell zu erproben – damit wurde VR auf kulturellem Sektor erstmals einem breiteren Publikum vorgeführt. 40.000 Jahre Geschichte boten viel Spielraum für eine spektakuläre 3D-Aufarbeitung. Man fokussierte sich bei diesem VR-Event letztlich auf die Bronzezeit (1.800-750 vor Chr.) und verwendete vorrangig drei Fund-Objekte für spezifische Scans: eine Bronze-Schleife aus Sussex, einen Dolch aus dem französischen Beaune und das sogenannte Woolaston Gold. Zusammengetragen wurde zuvor ein beeindruckendes Informations-Konvolut, basierend auf Forschungsarbeiten in Flag Flen oder Erhebungen in Bezug auf die Rundhäuser im sogenannten Burren-Gebiet an der Westküste Irlands. Anhand der ausgewerteten Daten wurden 3D-Modelle entwickelt, die sich durch verschiedene Tools unter dem Namen Roundhouse VR Bronze firmierten. Mit Virtueller Realität können wir inzwischen scheinbar nicht nur weit, sondern auch tief in der Zeitleiste zurückgehen. Denn immersive Erfahrung gibt Viewern in diesem Kontext auch die Möglichkeit, längst vergessene Welten hautnah zu spüren. Relikte werden zum Leben erweckt. Unseren griechischen Gott der Zeit dürfte dieses Potential so manches Mal durcheinanderbringen…

Bronze Roundhouse British Museum

Von der Software ArchäoCAD (zur digitalen archäologischen Befunddokumentation) über Aster-Satellitendaten, hin zu Airborne Lasertechnik, bei der Scans und komplexe Filtermethoden zum Einsatz kommen und etwa um kamera-tragende Flugroboter (UAVs) zur Höhenerfassung oder spezielle Kameras zur Infrarot- und Spektralaufnahme erweitert werden können. Die luftgestützte Abtastung von Strukturen der Erdoberfläche dient v.a. in Fällen von extremen Höhen und Tiefen, bzw. schwer zugänglichen Funden. Zur dreidimensionalen Aufnahme von Objekten werden hauptsächlich Nahbereichslaser oder Streifenlichtscanning eingesetzt. Auch die auf optischer Sensorik basierende Photogrammetrie hat sich stark gewandelt – und doch ist es mit ihrer Hilfe nicht immer möglich, z.B. beim sogenannten Structure-from-Motion-Verfahren, bestimmte Funde zu erfassen. Hierbei werden aus sich überlappenden Digitalfotos und unter Verwendung eines Makroobjektivs, 3D-Oberflächeninformationen berechnet. Neben der Form wird auch die Farbe hochauflösend erfasst. Monochrome Oberflächen mit vielen Glanzpunkten oder Spiegelungen erschweren aber die exakte Datenerfassung und können zur Artefaktbildung innerhalb der 3D-Daten führen. So sind Oberflächengeometrie, Handhabung und Fragilität der Fundobjekte jene Faktoren, die eine freie Auswahl von Messmethoden letztlich begrenzen mögen, genauso natürlich Budget oder die (nicht immer) benötigte Genauigkeit im visuellen Ergebnis.

Forschungsarbeiten erleichtern

Gigantische Datenmengen, wie etwa beim Erfassen von Landschaften, lassen sich über Anwendungen aus der Game-Engine reduzieren und in Echtzeit über VR-Anwendungen simulieren. Dabei ist den Archäologen wichtig, durch VR eine gute Handhabbarkeit der Objekte zu erzeugen. Durch die vorgenommenen Berechnungen und ihrer Generierung in virtuelle Modelle, ist es den Wissenschaftlern möglich, Untersuchungen ortsunabhängig vorzunehmen, ohne auf den Original-Fund angewiesen zu sein. Dies ermöglicht auch einem breiteren Kreis von Anwendern Zugang. Ebenso lassen sich im musealen Kontext Fundobjekte in High-End-Präsentationen nicht nur intuitiv, sondern auch subjektiv sondieren – wie es ohne 3D-Visualisierung und Erfahrung mittels Headset, i-Pad oder Multi-User-Environments (MUVE) überhaupt nicht möglich wäre. Durch die Anwendung Archaeo VR, kann der User sich z.B. mit dem Sensor an das gewünschte Objekt „heranzoomen“ und Vermessungen vornehmen. Diese lassen sich schneller und unkomplizierter durch VR durchführen, als in herkömmlichen, in der Archäologie verwendeten 3D-Programmen. Auch kann der Wissenschaftler in zu untersuchende Fund-Objekte 50-fach hinein skalieren und präferierte Sequenzen als Video aufnehmen. Durch virtuelle Simulation können etwa Reliefs in unzugänglichen und dunklen Räumen sichtbar gemacht werden. Tag- und Nachtsituationen lassen sich spielend auf den archäologisch zu untersuchenden Kontext anwenden.

Virtuelle Modelle, mitsamt allen relevanten, erfassten Geodaten, lassen sich für die wissenschaftliche Praxis gerade in Kombination mit Augmented-Reality als wirksames Tool nutzen: Rückgriffe auf vorgenommene Annotationen visueller und akustischer Art auf dem Handy und, umgekehrt, auch das Erfassen von neuen Daten vor Ort, die in das vorhandene Modell zurückverlagert werden. Diese Vorgehensweise hilft Archäologen, ihre Daten noch besser strukturieren zu können.

Das Qualcomm Institute der Universität in San Diego erarbeitet ebenso verschiedene VR interfaces, mit deren Hilfe Studenten unzugängliche Fundstätten erforschen können. So bietet der VR CAVEkiosk die Möglichkeit, archäologische Visualisierungen von Grabungsorten auf sechs Bildschirmen in 4K aufzurufen, um darin mit Oculus Rift und XBox-Controllern zu navigieren.

„VR is extremely useful for scientific storytelling and engaging not only our colleagues but the public in experiencing these sites. We need to be recording these sites just as a conservation tool (…)and then we should share it for free.“                                  Dr.Thomas Ley, Qualcomm Institute

Now and Then – Eine iberische Siedlung begehbar machen

Ein weiteres Paläo-Projekt, allerdings der Eisenzeit, ist Ullastret 3D. Die iberische Stadt (6. – 2. Jahrhundert v. Chr.) war ein aus zwei bewohnten Zentren bestehendes Oppidum, eine kleine stadtähnliche Siedlung, der jedoch das Stadtrecht fehlte. 1930 entdeckt, konnten mit einer immer moderneren, zeitgemäßen Auslage an Prospektionstechniken, wie etwa GPR-Systemen, die validierten Daten in ein 3D-Modell überführt werden. Dabei verwendete das Team um das Museu d’Arquelogia de Catalunya-Ullastret Programme wie Cinema4D und 3ds Max, um die landschaftlichen Merkmale visuell aufzustellen, sowie die Software Maya von Autodesk für die dreidimensionale Modellierung von Objekten samt Textur und Farbe. Letztlich wurden alle 3D-Elemente wie Gebäude, Vegetation oder Wege, in Unreal Engine 4 geladen. Über diese Software lässt sich auch ein Export in immersive 360-Grad-Umgebungen bzw. High-End-Headsets vornehmen. Letztlich schuf das interdisziplinäre Projekt aus Archäologen, Anthropologen, Architekten und Game-Designern, zwei praktische Environments: einen immersiven, audiovisuellen Raum im Sinne der CAVE– und Magic Box-Technologie, eine weitere Anwendung als App für HTC Vive-Brillen.

Die richtige Wahl beim VR-Storytelling

Ullastret 3D sollte den Anwender nicht nur visuell, sondern auch narrativ begleiten. Die Erzählung musste wichtige Elemente der iberischen Kultur enthalten, dem Viewer aber auch die politischen Hintergründe nahe bringen, wichtige Ankerpunkte zur Orientierung festlegen, aber auch motivieren, Bereiche selbstständig zu erkunden. VR-Storytelling ist viel weniger kinematographisch als interaktiv: Der Zuschauer wird in die sich darbietende Welt aufgenommen. Daher schien es auch schlüssig, die Geschichte der kleinen Stadt aus der Perspektive eines ehemaligen Siedlungsmitgliedes zu erzählen, das jede Nacht an den Ort seiner Vergangenheit reist und sich an die vielfältigen Eindrücke und Erfahrungen, wie etwa spielende Kinder in den Straßen oder Vorbereitungen auf kriegerische Auseinandersetzungen, die im Hof exerziert wurden, erinnert. Auch wurde 3D-Audio zur Vermittlung eines realistischen Klangerlebnisses verarbeitet, das die immersive Erfahrung und das Gefühl der Presence beim Viewer verstärken sollte. Der sich abzeichnende Paradigmenwechsel vom Story Telling hin zum Story Living lässt sich schon jetzt in Formaten wie Hyper-Responsive-Virtual-Reality am Horizont erahnen.

Mit VR lässt sich kulturelles Erbe offensichtlich nicht nur weiterführend erheben und besser strukturieren, sondern auch vielschichtig und spannend einem breiteren Publikum vermitteln. Als niedrigschwelligen Einstieg bieten sich dahingehend auch 360-Grad-Videos bestens an, um Eindrücke vergangener Zeiten zum Leben zu erwecken.

Und was sich in diesem Themenfeld weiterhin durch die Verquickung der neuen Technologien auf Virtual- und Augmented-Reality Basis abspielen könnte, lässt doch fragen, inwiefern wir uns nicht lieber heute als morgen mit der weitreichendsten medialen Disruption aller Zeiten auseinander setzen sollten.                                                                                                                                                                                                                                               HIER KLICKEN FÜR IHR AR / VR-PROJEKT

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