„Le Bal de Paris“ ist eine Live-VR-Erfahrung, bei der sich das Publikum aktiv ins Geschehen einbinden lassen soll. Bildquelle: lebaldeparisdeblancali.com
Die Tanzbiennale in Venedig hatte in diesem Jahr eine hoch spannende VR-Erfahrung im Programm: Le Bal de Paris.
Das immersive Tanztheater konnte sich gegen 23 Mitbewerber durchsetzen und sogar einen Goldenen Löwen auf der Venice VR Expanded erstreiten.
Damit schließt das interaktive VR-Kreativprojekt an „Das Totale Tanztheater“ an, dessen Premiere 2019 mit dem Bauhaus-Jubiläum gefeiert wurde und über das wir bereits ausführlich berichtet haben.
Dort wie hier haben Besucher die Möglichkeit, sich im virtuellen Raum exklusiv zum Tanz bitten zu lassen.
An dieser Stelle weisen wir darauf hin, dass wir von Aspekteins neben eigenen Making Ofs diesen Blog nutzen, um VR-Experiences vorzustellen, die uns inspirieren – bei denen wir aber nicht unbedingt immer auch selbst beteiligt waren. Dieser Artikel fällt in eben diese Kategorie. Referenzen unserer eigenen Arbeit finden Sie in unserem Portfolio.
Mondäne Live-VR-Experience
Le Bal de Paris ist eine echte Multiplayer VR-Erfahrung. Dabei steht die Liebe zweier Protagonisten im Vordergrund, während das Publikum die Charaktere beim Ball oder im „Mimi“ beim Cancan-Tanzen begleitet. Bildquelle: lebaldeparisdeblancali.com
Die Live-VR-Erfahrung, die vom 17. November 2021 bis 6. März 2022 im Théâtre le Palace, von April bis Mai im Barbican Centre in London und zuletzt auf der Tanzbiennale aufgeführt wurde, war ein echter Publikumserfolg.
Eröffnet als realer Ball mit professionellen Tanzeinlagen erhalten die Besucher im nächsten Schritt VR-Headsets (HTC Vive Pro) und VR-PC-„Backpacks“ mit genug Technik, um die Körperbewegungen vor allem über Arme und Beine sensorisch zu erfassen. Die Bewegungen werden dann in die virtuelle Ebene übersetzt – et voilà: schon ist der vormalige „Zuschauer“ fulminanter Teil der mondänen Veranstaltung, eingeladen zur aktiven Partizipation!
60 Minuten dauert „Le Bal“- rund die Hälfte der Zeit erleben Zuschauer die Live-VR-Experience jedoch keinesfalls als Zaungäste, sondern als handfeste VR-Erfahrung!
Dabei gilt es, sich eingangs ein virtuelles Kostüm auszusuchen, eine adäquate Maske in Tiergestalt zu wählen.
Begleitet wird die „Virtuelle Reise in drei Akten“ von erhabenen Walzerklängen. Aber über den Tanzsaal hinaus geht es noch weiter – etwa über einen mystischen See in Begleitung von Violinenklängen, in ein seltsames Labyrinth oder schließlich ins „Mimi“ zum Cancan-Tanz.
Es wird also nicht nur passiv gestaunt und beobachtet, sondern sich aktiv fortbewegt und so einige Male das Tanzbein geschwungen!
Die Live-VR-Erfahrung basiert auf Motion Tracking. Ausgestattet mit VR-Headset und Sensoren, werden die Bewegungen des Publikums in die virtuelle Ebene übersetzt. Die Teilnehmer sehen sich und die Umgebung dann in VR bzw. erleben sich selbst entsprechend über einen Avatar. lebaldeparisdeblancali.com/Justine Cannarella, Backlight
Tatsächlich bewegen sich die „Tänzer“ nur auf einer begrenzten Fläche, während sich in VR ein scheinbar endloser Raum auftut. Dieser wurde u.a. mittels Medium/ Adobe und Gravity Sketch inszeniert… lebaldeparisdeblancali.com/Justine Cannarella, Backlight
Das Ziel des „Bal“ war es, virtuelle Technologie maximal auszuschöpfen. Daher musste die „Vierte Wand“ gebrochen werden- verhindert sie doch eine direkte Interaktion/Partizipation zwischen Darstellern und Publikum.
Anders als im konventionellen Theater oder im Kino hebt die Auflösung der Vierten Wand die Grenze zwischen Bühne und Zuschauersaal auf und schafft einen einheitlichen Raum für „beide Seiten“. Dadurch ist das Publikum nicht länger passiv, sondern erlebt sich als direkter, aktiver Teil der Inszenierung.
Beim „Bal de Paris“ gibt es keine Grenzen zwischen professionellen Akteuren & Besuchern: Das Publikum teilt die Bühne mit den Tänzern, die Tänzer teilen ihre Performances mit dem Publikum.
Außerdem handelt es sich bei der VR-Anwendung um eine echte Multiplayer-Erfahrung: alle Besucher interagieren gemeinsam live mit Profis. Professionelle Tänzer übernehmen abwechselnd auch die verschiedenen Rollen der Protagonisten und „führen“ die Teilnehmer Schritt für Schritt durch das Stück.
(Lesen Sie zum Thema „Vierte Wand“ auch unsere Artikel „The Psychology of VR: (Sinnes-)Wahrnehmung & Virtuelle Realität“ und „Ab ins Abenteuer! Innovative Konzepte immersiven Theaters“)
Mit Motion Tracking durch Zeit und Raum
Für VR-Performances und körperlich anspruchsvolle VR-Live-Erfahrungen bedarf es eines umfassenden Motion Trackings.
Reines Tracking der Kopfbewegungen reicht an dieser Stelle nicht aus. Für das Tracking von Armen und Beinen werden zusätzliche Sensoren benötigt – dies erhöht natürlich auch den Rechenaufwand. Da die Teilnehmer sich flexibel auf einer Fläche von durchschnittlich zwischen 70 und 90 Quadratmetern bewegen konnten, kam auch eine Verkabelung an einen fest installierten Rechner nicht in Frage.
Stattdessen wurde auf „Backpack-Rechner“ gesetzt, die ausgestattet mit leistungsstarken GTX 1070 Grafikkarten die nötige Rechenpower lieferten.
VR-Storytelling wird erst durch authentische VR-Erfahrungen überzeugend und lebendig!
Deshalb setzen auch wir von Aspekteins beim virtuellen Geschichtenerzählen auf innovative Ansätze wie unser non-lineares Storytelling-Format „Hyperresponsive VR“. Der Verlauf der Geschichte wird dabei nicht allein durch bewusste Entscheidungen des VR-Anwenders beeinflusst, sondern sogar durch dessen unbewusste Signale. Getreu dem Motto: Die Story bin ich!
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