VR hat sich in den vergangenen Jahren auf zahlreichen Filmfestivals etablieren können, wie ein Blick auf die Biennale in Venedig oder das Filmfest München zeigt.
Im Rahmen des Sundance Filmfestivals heißt die spezifische Abteilung für VR-Storytelling „New Frontier“ und ist seit einigen Jahren ein fester Bestandteil der Veranstaltung.
Künstler, Filmemacher, Programmierer und Technologen – sie alle treffen sich hier: gezeigt werden narrative Formate an Schnittstellen zwischen Gaming, Kunst, Performance und innovativen Technologien wie VR/AR/MR/KI.
Die Inhalte werden als VR-Film oder 360-Grad-Video gezeigt und vielfach auch interaktiv inszeniert, wobei Festival-Teilnehmer z.B. durch mobile Apps oder VR-Headsets visuell aufbereitete Geschichten nicht nur hautnah erleben, sondern den dramaturgischen Verlauf teilweise auch steuern.
In diesem Jahr gab es beim New Frontier Festival 32 Beiträge aus 21 Ländern; einige von ihnen wurden im Rahmen des Biodigital Theatre gesondert gezeigt. Unter Einbeziehung von Theater und Tanz soll die neu eingeführte Erfahrungs-Plattform auch in Zukunft eine Bühne für VR-Live-Performances werden.
Einige Highlights aus dem New-Frontier-Programm 2020 stellen wir im Folgenden näher vor:
Lost in Langeweile
Theo Triantafyllidis Beitrag Anti-Gone beschäftigt sich mit einer Welt nach dem Klimawandel. Angefüllt von leeren Gedanken und einem verstellten Blick gegenüber dem eigenen Sein wabern zwei Schicksalsgenossen durch diverse Trips mentaler oder physisch-realer Natur.
Das Skript basiert auf der gleichnamigen Graphic Novel von Connor Willumsen und konfrontierte die Festivalbesucher in seiner 75-minütigen Inszenierung mit Themenkomplexen wie politischer Unruhe, sozialer Ungleichheit, Dystopie und dem Wunsch zu (Er-)Leben.
Nicht die Zuschauer tragen in dem Mixed-Reality-Stück VR-Headsets, sondern die Darsteller: In Kombination mit Motion Capture wird ihr Schauspiel in die virtuelle Welt übertragen.
Im Gegensatz zur linearen Erzählung der Graphic Novel sollte die Adaption non-linear inszeniert werden. Hierzu änderte man die Dramaturgie und baute z.B. flexible Handlungsstränge ein, die den Eskapismus illustrieren sollten, erzeugte parallel dazu auch visuelle Elemente über eine Game-Engine und arbeitete räumlich/zeitlich mit verschiedenen Ebenen.
Animalia Sum…
…ist eine Virtual-Reality-Experience von Bianca Kennedy und The Swan Collective, bei der es um die Zukunft menschlicher Ernährung geht. Um einen gesicherten Zugang zur Proteinversorgung zu ermöglichen, werden, mit Blick auf zunehmende Ressourcenknappheit, Insekten zum notwendigen Heilsbringer erklärt.
Reich an ungesättigten Fettsäuren, hochwertigem Eiweiß, Mineralstoffen und Vitaminen bieten Gliederfüßer auch neue Molekülstrukturen zur Herstellung vielversprechender Antibiotika-Medikamente.
Die Tiere haben auch in der Gegenwart längst den Weg in die Supermärkte gefunden – „Insekten essen“ nennt sich übrigens Entomophagie.
Aber unabhängig davon, dass knackige Chitin-Panzer gar nicht so sehr gesund sind, dreht sich der VR-Beitrag um das Empfinden der Insekten. Denn wie die Insekten das große Fressen aufnehmen und sich dagegen wehren, sollten die Besucher auf skurrile Weise selbst unter dem VR-Headset erfahren. Getreu dem Motto: animalia sum – ich bin ein beseeltes Wesen, wurde sich mittels VR-Headset in die Gefühlswelt der Tiere hineinversetzt.
Unterwasser-VR
Der Beitrag Spaced Out setzt sich mit der Schwerelosigkeit auseinander. Neugierige Festival-Besucher wurden dazu aufgefordert, dies auf physische Weise ebenfalls zu tun.
Um den gesamten Körper immersiv (und abgeschnitten von den üblichen sensorischen Reizen) in einen Zustand jenseits von Raum und Zeit katapultieren zu können, wurde ein Swimming-Pool benutzt. In diesen hatten sich Teilnehmer dann mit einer (wasserdichten) VR-Brille und Schnorchel zu begeben…
Doch die virtuelle Reise hielt eine Überraschung bereit. Nicht in irgendwelche irdischen Gewässer wurde abgetaucht, sondern in die geheimnisvollen Sphären des Mondes.
Hier erwartete den Besucher ein bildgewaltiges Szenario mit Soundschnipseln in Anlehnung an die Apollo 11-Mission, dessen Akustik auch als Vibrationen im Wasser erfahrbar waren.
Haben Emotionen eine Geschichte?
In The Book of Distance werden verschiedene künstlerische Medien wie Fotografie und Skulptur mit VR verknüpft. Erzählt wird von der Immigration eines Mannes, der sich 1935 auf die Reise von Hiroshima nach Kanada begibt. Doch was bewegt die mit der fernöstlichen Kultur verbundenen Gefühlswelten in der Ferne? Und welchen Einfluss haben diese auf die nachfolgenden Generationen?
Künstler Randall Okita ist der Enkel des Protagonisten und arbeitet die Geschichte visuell eindringlich auf. Dabei lässt er die Zuschauer an der emotionalen Reise teilhaben: zwischen Verwurzelung und Neubeginn, Hoffnungslosigkeit und Zuversicht.
Das Wesen von Luft
Um eine sehr existentielle Erfahrung, nämlich das Atmen, dreht sich ein weiterer Beitrag: Breathe. Die MR-Anwendung baut auf den initial ermittelten Atmungsmustern der Teilnehmer auf. Ein sog. biometrischer Sensor zur Ermittlung der Daten ist über einen Gurt, den die Teilnehmer während der gesamten VR-Erfahrung tragen müssen, mit einer Magic-Leap-Plattform verknüpft. Unter der Mixed-Reality-Brille wird das Ganze dann, wortwörtlich, zu einer sehr persönlichen Atmosphäre…
Synchron zur Atmung werden virtuelle Vorgänge generiert, beispielsweise Wolkenformationen erschaffen, die sich parallel zur Atmung dehnen oder zusammenziehen. Gleichsam sorgt VR-Handtracking für eine direkte Interaktion mit den Gebilden und dient als faszinierende Kontaktfläche, die das Persönliche mit dem virtuellen Raum verbindet.
Nutzer sehen dabei nicht nur den eigenen Atem, sondern auch den von drei weiteren Zuschauern, die sich im selben Raum befinden.
In einem Podcast der englischsprachigen Seite No Film School erzählen die Macher von Breathe, sowie einige Schöpfer anderer im Rahmen des New-Frontier-Programms vorgestellter Anwendungen, von der Idee und dem Entstehen ihres Werkes – ein sehr interessantes Gespräch, das wir an dieser Stelle gerne weiterempfehlen.
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Titelbild: A still from Spaced Out by Pierre Friquet, an official selection of the New Frontier Exhibitions program at the 2020 Sundance Film Festival. Courtesy of Sundance Institute.