Sundance New Frontier: Eigene Sparte für VR-Filme sorgt für Aufsehen
Das US-amerikanische Sundance Film Festival stellte vom 21. bis 31. Januar 2016 wieder zahlreiche Filme vor. Besonders interessant in Sachen Virtual-Reality (VR) war die New Frontier Ausstellung, denn hier wurden dieses Jahr 30 VR Erfahrungen und 11 VR Installationen präsentiert.
Drei dieser VR Erfahrungen stellte die New York Times in ihrem Meinungsteil im Januar vor. Es handelt sich um bahnbrechende VR Filme, die verschiedene Themen und Möglichkeiten des nicht-fiktionalen Storytelling in Virtual Reality erkunden und damit starke Wirkungen erzielen. Die hier aufgeführten Filme sind die praktische Umsetzung der neuen Formen von Storytelling mit VR-Filmen und 360-Grad Video, wie zuvor in unserem Artikel „360-Grad Video & Virtual Reality (VR): Eine neue Form des Storytelling entsteht vor unseren Augen“ prognostiziert wurde.
American Bison/ Condition One
Die New Frontier Ausstellung zeigte den VR Film Condition One der Künstler Danfung Dennis (Gründer und Chef der VR Firma Condition One), Casey Brown und Phil McNally. Die Live-Action VR-Serie gibt Einblicke in die Lebensräume gefährdeter Tierarten und bringt Zuschauer besonders nah an die Lebewesen heran. American Bison entstand im Rahmen von Dennis VR-Experimenten und wirkt dank VR auf eine ganz besondere Art.
Als Fotojournalist bekam Dennis immer wieder zu spüren, dass seine Aufnahmen nicht die erwünschten Wirkungen erzielten. Er glaubt, Fotografien seien zu abstrakt und zu flach, so dass immer eine gewisse Distanz zwischen Betrachter und dem abgebildeten Leid bestehen bleibe. So beginnt er in Kriegszonen zu filmen und gibt flüchtige Einblicke in die brutale Realität des Krieges. Doch Dennis möchte noch weiter gehen: Er will seine Zuschauer an die Fronten bringen, will sie Zeugen sein lassen.
Schließlich gründet der Fotojournalist die Firma Condition One und arbeitet an einer 360-Grad-Kamera – mit dem Ziel, abgestumpfte Zuschauer in neue Welten eintauchen zu lassen und bei ihnen tiefe Emotionen hervorzurufen. Denn genau hier sieht Dennis die Stärke der Technologie: VR ist in der Lage, Zuschauer in andere Welten zu transportieren und sie Teil dieser werden zu lassen, ihnen ein Gefühl von Anwesenheit zu geben.
Den Prototyp seiner VR-Kamera testet Dennis auf dem Weg einer Bison-Herde. Als er die Bilder im Anschluss mit einem VR-Headset ansieht, ist er begeistert. Er findet sich mitten in einer Herde wilder Bisons wieder, blickt den gewaltigen Tieren direkt in die Augen, hört sie atmen, fühlt ihre Anwesenheit. Und er empfindet eine deutlich stärkere Zuneigung für die Tiere als zuvor.
Durch VR wird fast automatisch Empathie für die Erfahrung der Abgebildeten ausgelöst: Das Töten von Tieren wird zum eigenen Schmerz und das Leiden von Menschen in Kriegsgebieten wird zum eigenen Leiden.
American Bison:
Kiya
Kiya ist ein VR Film der Journalistin und Embelamtic-Chefin Nonny de la Peña aus dem Jahr 2015. Das siebenminütige Video erzählt eine wahre Geschichte von häuslicher Gewalt, die für die Frau tödlich endet. Die computergeneierte Umgebung des Films ist mit Tonaufnahmen des Notrufs und Bildern des echten Ereignisses angereichert und lässt aus Zuschauern aktive Zeugen des Vorfalls werden.
Nach einer intensiven VR-Erfahrung war Nonny de la Peña klar, dass VR ein Ort ist, an dem wichtige Geschichten erzählt werden können und sie beginnt mit VR zu experimentieren. Ihr Ziel: ein besseres Verständnis für vergangene Ereignisse erzeugen, denn als Dokumentarfilmerin weiß sie, wie schwierig sich die Nachstellung eines solchen gestaltet.
Nonny de la Peña experimentiert mehrere Jahre mit VR und nutzt Ton als Grundlage ihres Storytelling. In ihrer VR-Dokumentation „Hunger in Los Angeles“ setzt die Filmemacherin auf Tonaufnahmen des echten Ereignisses, während sie nachstellt, wie ein Mann in ein diabetisches Koma fällt, weil er zu lange in der Schlange einer Tafel auf sein Essen warten musste. Mit Wirkung: Das Publikum des Sundance Film Festival 2012 taucht völlig in den Film ein und mit Tränen in den Augen hinter den VR Brillen wieder auf.
In ihrem nächsten Film geht Nonny de la Peña noch einen Schritt weiter und setzt ein Handyvideo ein, um zu zeigen, wie ein US-Grenzschutzbeamter einen Migranten zu Tode schlägt. Zusätzlich erfasst sie in einem Labor die Körper- und Gesichtsbewegungen einer Zeugin, die ihre Erinnerungen wiedergibt. So sehen und hören die Zuschauer von „Use of Force“ aus Sicht der Frau eine Geschichte, die unter die Haut geht.
In „Project Syrica“, der Nachstellung einer Bombendetonation in Aleppo, verwendet die Journalistin Bewegtbild und Ton des realen Ereignisses (vor und nach der Explosion), Fotografien des Ortes sowie Google Earth Karten.
Schließlich erzählt Nonny de la Peña in „Kiya“ eine tragische Geschichte von häuslicher Gewalt und Mord. Hierfür Nutzt sie Informationsmaterial, das nach dem Mord gesammelt wurde sowie Interviews mit den Schwestern des Opfers und der Polizei. Zur besonderen Wirkung des VR-Films tragen auch die originalen Aufzeichnungen des Notrufs bei.
Nonny de la Peña weiß, dass ihre Filme wirken, denn sie hat selbst gesehen, wie tausende Menschen darauf reagieren. Sie setzt auf die immersive Kraft von VR, um intensive Empathie beim Zuschauer hervorzurufen und versucht so auf sozial-wichtige Themen aufmerksam zu machen.
Kiya:
Waves of Grace
Der VR-Film „Waves of Grace“ von Gabo Arora (preisgekrönter Filmemacher und UN-Berater) und Chris Milk (Gründer und Chef der VR-Firma Vrse, Kreativchef des VR-Produktionsstudios Vrse.works) erzählt die Geschichte der Ebola-Überlebenden Decontee Davis, die sich in ihrem Dorf in Liberia um verwaiste Kinder kümmert.
2014 war die Angst vor Ebola in den USA überall zu spüren und wurde durch Medienberichte weiterhin verstärkt. Doch dachte die Bevölkerung hierbei vor allem an sich selbst und nicht an die Menschen, die in fernen Ländern jeden Tag starben. Wie in Liberia, wo Ebola real war und tausende Menschen tötete.
Nachrichten bieten zwar große Mengen an Informationen, doch kann das Fernsehen kaum vermitteln, wie es wirklich ist, solch eine Krise mitzuerleben. Und genau das wollten Arora und Milk mit ihrem VR-Film „Waves of Grace“ ändern. Ihre Devise latuet Empathie statt reine Informationen.
Erzählt werden sollte die Geschichte mit der Stimme einer Überlebenden, und Decontee Davis war schnell gefunden. So ist in dem VR-Film die Überlebensgeschichte von Ms. Davis nicht nur hörbar, sie wird fühlbar.
Arora und Milk nicht nur überzeugt, dass Decontee Davis‘ Geschichte in VR besser mitgeteilt werden kann, sie sind sich sicher, dass es die einzige Möglichkeit ist, die Geschichte vollständig zu erzählen.
Mit „Waves of Grace“ möchten Arora und Milk eine neue und besonders persönliche Sichtweise auf die Ebola-Krise geben. Sie öffnen eine Tür in das Leben eines anderen Menschen, mit allem Schmerz und mit aller Hoffnung.
Waves of Grace:
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