Megalithgräber sind die ältesten Grabbauten Skandinaviens und auch Norddeutschlands. Doch die noch heute erhaltenen Strukturen machen oft einen zusammenhanglosen Eindruck. Kein Wunder, denn verglichen mit dem Zustand der Gräber in der späten Jungsteinzeit (ca. 2700-2200 v. Chr.) ist heute nur noch ein Teil jener Steinkonstruktionen enthalten. Damals waren sie zudem unter dichten Erdhügeln verborgen.
Altertums-Wissenschaftler des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe haben mit ihrem Forschungsschwerpunkt „Megalithik in Westfalen“ das am besten erhaltene Großsteingrab als VR-Experience aufbereitet. Damit können Nutzer in der virtuellen Realität eine der ältesten Bauten Europas aus nächster Nähe erleben.
(VR-)App in die Jungsteinzeit…
Spuren megalithischer Baukunst sind natürlich in ganz Europa zu finden. In Nordwest-Niedersachsen lässt sich der Weg der „Großen Steine“ (mega/groß, lithos/Stein) auf 330 Kilometern zwischen Oldenburg und Osnabrück zurückverfolgen. Hier befindet sich eine erstaunliche Megalithroute, auf der unsere Vorfahren einst mindestens 70 Anlagen errichteten.
Für die virtuelle Aufbereitung der Megalithkultur in NRW ging es in die Gemeinde Lotte ins niedersächsische Grenzgebiet. Hier, nur wenige Kilometer von Osnabrücks Stadtmitte entfernt, liegt eine 18 Meter lange, rund 2 Meter breite Anlage mit Namen „Große Sloopsteene“.
Während das Grab im Außenbereich von kleineren Findlingen umsetzt wurde, verschwanden damals Trag-und Decksteine vollständig unter einem mächtigen Erdhügel.
Die VR-Applikation zeigt hierbei den über die Jahre andauernden Verlagerungsprozess der tonnenschweren Stein-Elemente. Schrittweise werden die VR-Nutzer bis in die Jungsteinzeit geführt und können sich am Ende ein Bild davon machen, wie die Grabanlage vor über 5000 Jahren ausgesehen haben mag. Mehr noch: sie befinden sich darüber hinaus selbst inmitten der Anlage wieder.
Tragsteine richten sich magisch auf, ursprüngliche Umhügelung, Findlingssetzung und Zwickelmauerwerk (d.h. Steinzwischenräume, die zugunsten einer einheitlichen Erscheinung mit Trockenmauerwerk versehen wurden) erscheinen greifbar vor Augen des VR-Headset-Anwenders, während auch die mächtigen Decksteine geradezu gespenstisch auf ihre einstige Position „fliegen“.
Dazu kann jeder VR-User die Grabkonstruktion aus verschiedenen Perspektiven ansteuern.
Ermöglicht wurde die VR-App mit Hilfe von 3D-Vermessungsdaten, die auch Rückschlüsse auf die Vollständigkeit der Decksteine zuließen. Das digitale Verfahren arbeitet mit photogrammetrischen Fotografien unter hoher Auflösung. Dabei konnten die Wissenschaftler ganze 377 Millionen Messpunkte generieren.
Zuvor eingesetzte Drohnen belegten indes: rund 200 Jahre lang blieb die Anlage „Große Sloopsteene“ unberührt. Im frühen 19. Jahrhundert machten sich Grabräuber massiv an der Anlage zu schaffen und leerten den gesamten Kammerinhalt.
Dieser Zeitpunkt ist auch Ausgangspunkt der VR-Megalith-App, denn von dort aus begeben sich die stillen Zeitzeugen auf eine lange Reise zurück in ihren ursprünglichen Zustand.
Stille Zeugen, handelnde Beobachter
Während manche VR-Apps stark interaktiv ausgelegt sind und VR-Anwendern sogar einen Avatar zur Verfügung stellen, mit dem sich User durch die virtuelle Anwendung bewegen, setzt die Megalith-App eher auf die Perspektive eines Beobachters.
Nutzer sind sozusagen körperlos, können aber mit Points-of-Interest auf markierten Flächen interagieren. So werden weitere Perspektiven ermöglicht und die historische Position der Steine wird offenbart.
Anders wäre es bei Anwendungen, die Nutzer zu handelnden Teilnehmern macht, die über weitreichende Einflussmöglichkeiten verfügen und durch ihr Handeln den weiteren App-Verlauf beeinflussen könnten. Entwicklern sind hier bei der Integration von Interaktionsmöglichkeiten kaum Grenzen gesetzt!
Ein Zwischenweg bietet die Hyperresponsive-VR-Technologie (die wir von Aspekteins entwickelt haben) an, die besonders für virtuelle Narrative geeignet ist. Je natürlicher ein Nutzer auf die in der Applikation dargestellten Inhalte reagieren kann, desto authentischer und immersiver wird die gesamte VR-App-Erfahrung. Deshalb werden bei Hyperresponsive VR auch unbewusste Impulse genutzt, um den Verlauf der Geschichte zu beeinflussen.
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