Die virtuelle Realität setzt sich in immer mehr Nutzungs- und Anwendungsfeldern durch, an die noch vor einigen Jahren niemand gedacht hätte. Rasend schnell geht dabei die Entwicklung des Mediums, dessen Potential man zwar schon früh erahnen konnte, das aber erst nach und nach erschlossen wird. Als eine auf immersive Medien spezialisierte Agentur beschäftigen wir uns tagtäglich damit, wie die Zukunft der virtuellen Realität aussehen kann. Dabei entstehen Konzepte, die nicht immer sofort in aktive Projekte einfließen können. In unserer Artikelreihe „VR-Konzepte mit ungenutztem Potential – Virtuelle Realität der Zukunft“ beleuchten wir einige dieser Konzepte genauer.
Deutschland und die Welt befinden sich gerade im Ausnahmezustand: Die Corona-Pandemie zeigt eindringlich, wie unvorbereitet unsere Gesellschaft auf gesundheitliche Notstände ist. Um das zu ändern, muss jeder Einzelne sein eigenes Verhalten überdenken.
Immersive Medien haben ein großes Potential, derartige Verhaltensänderungen herbeizuführen. Indem Nutzer selbst dafür verantwortlich sind, Handlungen auszuführen, verinnerlichen sie diese weitaus besser, als es beim rein passiven Lernen möglich wäre.
Hyperresponsive Virtual Reality
Kern der Anwendung bildet unsere Hyperresponsive-VR-Technologie (HRVR): Diese erlaubt es, stereoskopische 360-Grad-Videos durch Entscheidungsbäume nicht-linear zu verknüpfen. Das Besondere dabei: Die Nutzer wählen den jeweils passenden Handlungsstrang nicht zwangsweise durch Betätigung virtueller Buttons aus. Trigger, die die Anwendung auf einen anderen Handlungspfad leiten, können vielmehr je nach Situation ganz individuell angepasst und gesetzt werden. Benutzer können so die Geschichte nur durch ihr Verhalten beeinflussen. Im konkreten Fall greifen wir dabei vor allem auf zwei Techniken zurück: Auf die Blickerkennung, durch die die Anwendung auf die Blickrichtung des Nutzers reagieren kann, sowie auf eine einfache Spracherkennung (von zustimmender bzw. ablehnender Wortwahl).
Die Handlung
Hyperresponsive VR eignet sich hervorragend dafür, interaktive Geschichten zu erzählen, die Nutzer aktiv in die Handlung involvieren: Im Laufe unserer Anwendung durchlebt der Nutzer so beispielsweise einen Tag im Leben eines Protagonisten, der in einer Pandemie-Situation versucht, seinen Alltag zu bestreiten. Wie der Tag verläuft, bestimmt der Nutzer anhand seiner Entscheidungen.
Ein Beispiel
Das alles klingt natürlich sehr abstrakt. Betrachten wir daher ein Beispiel genauer: Recht zu Beginn der Erfahrung erhält der Protagonist einen Anruf. Das Handy, das in der 360-Grad-Aufnahme, die der Nutzer sieht, vor ihm auf dem Tisch liegt, beginnt zu vibrieren und zu klingeln. Blickt der Nutzer auf das Handy, beginnt dieses zu leuchten – dies ist das Zeichen, dass es sich um ein interaktives Objekt handelt. Verweilt der Nutzer mit seinem Blick auf dem Handy, nimmt er den Anruf an. Ein Overlay, das sich in den 360-Grad-Raum einfügt, zeigt nun das Handydisplay. Der Vorgesetzte des Protagonisten fragt hier im Videoanruf, ob der Protagonist heute lieber im Home Office bleiben will. Der Nutzer kann nun zustimmend oder ablehnend antworten. Seine Antwort wird durch das Mikrofon erfasst. Je nachdem, wie er sich entscheidet, wird die weitere Geschichte anders verlaufen.
Versteckte Entscheidungen
Nicht alle Entscheidungen müssen derart offensichtlich sein. So könnte der Protagonist, sobald er das Bürogebäude betritt, entweder direkt zum Arbeitsplatz gehen, oder sich zuvor die Hände waschen. Für letztere Option müssen Nutzer jedoch selbstständig auf den Gedanken kommen, nach einer Spüle Ausschau zu halten. Diese kann – ganz wie zuvor das Handy – durch Blick in die entsprechende Richtung ausgewählt und aktiviert werden. Entscheidungen wie diese prägen die komplette Geschichte. So erleben unterschiedliche Benutzer ganz verschiedene, auf sie angepasste Handlungen.
Die Auswertung
Die Anwendung endet mit einer Auswertung der getroffenen Entscheidungen: Der Nutzer erhält einen Score, mit dem er sich mit anderen Anwendern vergleichen kann. Außerdem wird gezeigt, wie sich die Krankheit verbreiten würde, würden sich alle Menschen im Land vergleichbar verhalten. Letztlich erhält der Zuschauer einige Tipps, wie er sein Verhalten noch weiter verbessern kann. Auf diese Weise erhalten Nutzer direktes Feedback darüber, wie sie sich gerade verhalten haben – und können so bei einem zweiten Durchgang durch die App informiertere Entscheidungen treffen.
Die Nachrichtensendung
Die Auswertung könnte optional auch durch immersivere Mittel angereichert werden. So wäre es beispielsweise möglich, dass der Protagonist am Ende des Tages eine Nachrichtensendung ansieht, bei der es um die Ausbreitung der Krankheit geht. Wie stark sich die Krankheit ausbreitet, hängt dabei von den zuvor getroffenen Entscheidungen ab. Die Nachrichtensprecher können also direkt hervorheben, wie der Nutzer sich falsch verhalten hat – ganz ohne Immersionsbruch.
Man kann das sogar noch weiter denken: Die Nachrichtensendung könnte nicht nur an die selbst getroffenen Entscheidungen gekoppelt werden, sondern auch – durch Internetanbindung – an eine Auswertung sämtlicher Nutzer, die die Anwendung in den vorherigen 24 Stunden genutzt haben. Haben so zum Beispiel viele Nutzer das Händewaschen vergessen, können die Nachrichtensprecher explizit hierauf eingehen. Durch diesen Kniff werden die Nutzer noch mehr motiviert, die Anwendung weiterzuempfehlen – wir verkneifen uns an dieser Stelle den sich anbiedernden Wortwitz zur Viralität.
Zielplattformen
Die Anwendung kann sowohl mit VR-Headsets als auch mit Smartphones in einer eigenen App verwendet werden. In letzterem Falle werden sämtliche Interaktionen, die in der VR-Anwendung durch Blicksteuerung ausgewertet werden können, durch Touch-Eingaben ersetzt. Das Umsehen im Raum erfolgt durch Wischbewegungen. All diese Funktionen sind schon jetzt Teil unserer HRVR-Plattform, die wir genau für derartige Anwendungsszenarien programmiert haben.
Die Pandemie-Simulation ist natürlich nur eines von vielen Beispielen, wie eine Applikation, die auf unserer HRVR-Technologie fußt, aussehen kann. Für heute wollen wir es aber bei diesem Beispiel belassen. Vielleicht haben wir damit ja auch Ihre Kreativität angeregt: Wir würden uns freuen, zusammen mit Ihnen innovative VR-Projekte anzugehen.
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© Titelbild: Anna Shvets (Pexels)