Map my ride…
Es ist schon eine Weile her, da startete Aaron Puzey seine virtuelle Biker-Tour durch UK. Der Game-Designer entwickelte eine eigene App (CycleVR) und legt, mittels übertragener Daten von Google Streetview und einer Samsung Gear VR, eine Strecke von 1500 km auf seinem Crosstrainer zurück: 85 Stunden in 8 Monaten-von Cornwall im Süden Englands, hin zu Schottlands nördlichsten Breiten…Um fließende Bildsegmente analog zur Bewegung auf dem Heimtrainer zu gewährleisten, sendet Bluetooth zuverlässig die Trittfrequenz an seine Smartphone-App.
Ob damit sofort auf reale Zweirad-Erfahrungen verzichtet werden kann, ist sicher Typsache. Faktisch aber wurden genauso Kalorien verbrannt, wie beim Reality-Workout: bei Puzey waren es ganze 50.000.
Dass ein Google-Streetview-Ausblick beim Trainieren hinter 360°-Footage zurückbleiben muss, ist auf immersiven Default zurückzuführen. Viele Firmen wie Holodia oder Runtastic haben inzwischen Anwendungen entwickelt, die ein umfassendes, körperlich erfahrbares Outdoor-Erleben ermöglichen und helfen, unsere Kondition im wortwörtlichen Sinne spielend zu steigern. Auch Leistungssportler setzen zunehmend auf VR, so wie jüngst bei den Olympischen Winterspielen. Bonus beim VR-Workout ist die Verbesserung der Kondition, ohne heftigere Verletzungen zu riskieren. Ist ein Sportler etwa durch die Auswirkungen eines Sportunfalls noch körperlich beeinträchtigt, kann er VR-Training nutzen, um sich wieder schrittweise realen Bedingungen zu stellen. Durch das Startup StriVR haben sich deshalb nicht nur NFL-Franchises wie die Dallas-Cowboys oder der hiesige DFB mit virtuellen Streams ausstatten lassen, sondern auch das olympische US-Ski-Team in Südkorea.
Virtueller Masterplan: mit 4K hin zu überdimensionaler Bestform
Besonders Ski-Athleten sehen sich bei Wettbewerbsvorbereitungen mit komplexen Witterungsverhältnissen konfrontiert. Um zu optimierter Kondition zu gelangen und möglichen Engpässen entgegenzuwirken, haben US-Skiläufer bei den diesjährigen Olympischen Spielen in Südkorea souverän vorgesorgt: im Rahmen der Weltcup-Rennen 2016/17 wurden bei Pyeongchang diverse Routen durch einen Coach in 360° (4K bei 90 fps) gefilmt und zu einem hoch nuancierten Strecken-Video zusammengeführt. Während also im Vorfeld der Winterspiele ein Großteil der Wettkämpfer die Strecken des Jeongseon Alpine Centers kaum intensiver kennengelernt haben dürfte, ergab sich für das US-Amerikanische Skiteam ein erheblicher Wettkampfvorteil, der sich überdies auch in größerem Selbstvertrauen niedergeschlagen hat.
Welchen Impact hat virtuelles Training auf den Körper, respektive seine Kondition?
Level up! Black Box VR auf der CES 2018
Dass Fitness-VR hoch im Kurs steht, signalisieren auch die Trends auf der diesjährigen CES in Vegas. Ein Startup aus Idaho hat für die Entwicklung seines Full-Body-Workouts den Innovation-Award der Messe erhalten. Kabelbasiertes Widerstandstraining soll immersive Hochgefühle in die Fitnesscenter bringen: Durch extra für Black Box VR konzipierte Räume wird der Anwender tethered in andere Welten geführt und mit HTC Vive imprägnierten Inputs die Möglichkeit haben, spielerisch Fitness zu betreiben. Der jeweils eigene Schwierigkeitsgrad wird an Trainingsziele angepasst, verschiedene Trainingsmodi können u.a. einen gamifizierten Wettbewerb generieren. From E-Sport to V-Sport…Der erste Flagship-Store mit 10 black-rooms ist noch für 2018 in San Francisco angekündigt.
Lighthouse-basierte Vive-Controller ermöglichen Black Box VR-Usern immersive Intensität durch hohe Tracking-Genauigkeit auf rund 25m² (bzw. mit der bereits durch Valve angekündigten Lighthouse 2.0 und unter Verwendung der HTC Vive Pro, bei entsprechend mehr Kapazität). Der Betrachter kann sich körperlich-mental in die 360-Grad-Simulation vertiefen, eine Identifikation mit der fiktiven Welt ist wahrscheinlich. Damit hebt sich die Erfindung des Startups deutlich ab von Trainingslösungen wie The Plan von Les Mills. Bei dieser mögen Riesenleinwand und Soundsystem in Kinoqualität zwar motivierende Impulse liefern; ein hoch immersives, komplett VR-induziertes Workout bleibt aber aus.
Strecken checken
Während der Deutsche Skiverband (DSV) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Angewandte Trainingswissenschaft in Leipzig (IAT) an vier deutschen Standorten sog. Laufband-Training-Streckensimulation betreibt und dadurch differenziertere Einblicke in die Leistungsdiagnostik erhält, geht die VR-Simulation der U.S. Ski und Snowboard Association (USSA) noch einen erheblichen Schritt weiter. Mittels Oculus Rift oder Samsung Gear Headsets ist es den Sportlern möglich, sich mentalen Zugang in die konkreten Streckenbedingungen zu verschaffen.
„They feel they know the courses they will race on better, so when they come to ski on it during a race they enter the start gate with an increased confidence level(…)thats a clear benefit.“
T.Taylor, High Performance Director USSA
Wenn einer Simulation noch Elemente wie Nebel oder Regen als erschwerte Trainingsbedingung hinzugefügt werden soll, kann das Halo-Sport-Headset mittels Neuropriming aushelfen. Der Pseudo-Kopfhörer gibt, mittels kleiner Elektroden im Bügel des Gerätes, Stromschläge direkt ans Gehirn weiter. Durch die Transkranielle Gleichstromsimulation wird der Motorcortex durch Stromstöße von max. 2 MP enerviert und soll diejenigen Hirnregionen anregen, die für kontrollierte Bewegung und Beschleunigung der Nervenzellen zuständig sind. Durch Stimulierung der Hirnrinde soll sich Ausdauer, Kraft oder Muskelgedächtnis schon bei einer Einheit von ca. 20 Minuten am Tag deutlich erhöhen und den Sportler souverän zu besseren Leistungen führen. Neuronen kommunizieren mit anderen Neuronen über elektrische Signale. Trifft der abgefeuerte Impuls auf die Synapse, jenen Bereich zwischen zwei Neuronen, werden Neurotransmitter freigesetzt. Diese können dann unter Umständen neue Synapsen bilden und für eine komplexere neuronale Vernetzung sorgen. Neuropriming bewirkt, dass das Gehirn ein Stadium erhöhter Aktivität erreicht: Neuronen treffen mit wenig Signalen schneller auf jenen Schwellenbereich, der sie veranlasst, elektrische Impulse (bestenfalls mit anderen Neuronen gemeinsam) abzufeuern. Im Gegensatz dazu benötigen Neuronen ohne Priming für diesen Vorgang weitaus mehr neuronale Signale. Grundlegend benötigen geprimte Neuronen also weniger Impulse um ihrerseits konstant Signale abzugeben:
Immersion als Schlüssel zu Auto-Suggestion
Das Konzept ist indes nicht neu. Seit 2000 wird tDCS (transcranial direct current stimulation) auch im klinischen Bereich angewendet. So hat das Universitätsklinikum Freiburg herausgefunden, dass sich mit dieser Methode die Arousalprozesse, welche für eine gleichmäßig hohe Aktivierbarkeit des Gehirns zuständig sind, positiv beeinflussen lassen. Bei chronischer Müdigkeit konnte die notwendige Schlafdauer, ohne Auswirkungen auf die Zusammensetzung von Leicht-, Tief, und REM-Schlafphasen, auf knapp 30 Minuten verkürzt werden. Auch bei Aphasien (Sprachstörungen nach Schlaganfall), kam es in einer Studie zu einem interessanten Ergebnis: die Teilnehmer mit echter tDCS-Anwendung erzielten wesentlich größere Fortschritte in der Benennung von Objekten, als diejenigen Probanden, denen eine Neuro-Stimulierung nur vorgegaukelt wurde. Dabei imitierte die Scheinbehandlung zuvor sogar das durch Elektroden verursachte Kribbeln, um die Suggestion auf hohem Niveau zu halten.
Auch das Gedächtnis wird durch tDCS nachhaltig trainiert. Bei einem weiteren Forschungsprojekt an der Universität Tübingen, erzielten Probanden bei tatsächlicher Stimulierung am rechten bzw. linken Stammhirn (und analog dieser Gehirnareale, bei entsprechenden räumlichen und sprachlichen Aufgaben), wesentlich bessere Ergebnisse.
Auf eine Verbindung von VR und Rehab setzt auch MindMaze. Unter Anwendung immersiver VR-Software, MindMotionPro, wird z.B. die Bewegung des gesunden Armes von Schlaganfallpatienten über 3D-Motion-Tracking erfasst und auf einen virtuellen Arm übertragen, der auf die gelähmte Seite gespiegelt wird. In Kombination mit neurorehabilatorischen Übungen, wird dem Erkrankten so mittels Screen oder VR-Brille vorgetäuscht, dass der gelähmte Arm mobilisiert wird. An dem Prozess beteiligte Hirnregionen werden bereits durch diese Beobachtung angeregt, kortikale (die Hirnrinde betreffend) Bereiche werden neu organisiert und aktiviert. MindMotionPro erhielt 2016 die für den Vertrieb und Einsatz in europäischen Kliniken erforderliche CE-Kennung; im vergangenen Jahr zudem die erforderliche FDA-Zulassung für die Vereinigten Staaten.
Immersives Erleben dürfte, neben der Rehabilitation, auch zunehmend in der Prävention von Krankheiten eine große Rolle spielen.
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